Mittwoch, 14. Mai 2014

Conchita Wurst - Wirklich durch Toleranz zum Sieg?


Der Kommentar "Dass die Menschen anscheinend toleranter werden, hat sich ja gestern beim ESC gezeigt. Was für ein grandioser Auftritt!" von Sabine Gimm in meinem Thema "Dankeschön Mädels" hat mich etwas nachdenklich gemacht und dazu möchte ich nun ein paar Zeilen schreiben.

Conchita Wurst (bürgerlich
Tom Neuwirth) ist mir nicht erst seit letztem Samstag ein Begriff, vielmehr kenne ich Sie schon längere Zeit. Trotzdem habe ich Ihren Auftritt beim Eurovision Song Contest 2014 nicht verfolgt, da mich Sendungen von diesem Show-Format einfach nicht interessieren. Der Kommerz der damit verbunden ist, nimmt mir einen zu großen Platz ein und getreu dem Motto "Höher, Schneller, Weiter" wird für mich alles in einem viel zu übertriebenem Rahmen abgehandelt. Auch die Medien versuchen schon im Vorfeld den ein oder anderen Künstler in einem bestimmten Licht dastehen zu lassen, um somit auch Einfluß auf den jeweiligen Zuschauer zu Hause zu nehmen.

Ich habe bewußt ein paar Tage gewartet, denn ich wollte sehen, wie viel Toleranz hinter dieser Wahl wirklich steckt. Die Medien haben uns diesem Sieg, als einen "Sieg der Toleranz" verkauft. Nachdem ich nun diverse Leserbriefe in Zeitungen, Meinungen im Internet und viele Kommentare bei Conchitas Video auf youtube gelesen habe, stellt sich das Ergebnis prozentual ungefähr so dar: 70% zu 30%. 70% reagieren mit Ablehnung und Kommentaren die unter die Gürtellinie abzielen, während 30% den Auftritt gut fanden. Angesichts solcher Zahlen frage ich mich, wie weit her es da mit der Toleranz wirklich ist.

Wenn die Mehrheit aber mit Unverständnis reagiert, bleibt die Frage offen, wer denn nun alles für Conchita gestimmt hat. Eigentlich ist das ganz leicht zu erklären: Heutzutage muß alles schrill und laut sein, um beim Publikum anzukommen. Das war 2006 so, als LORDI den Eurovision Song Contest gewonnen haben oder 1998 mit Guildo Horn (den ich sehr mag) ein "schräger Vogel" Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten hat. Dieses Jahr hat eben Conchita Wurst diesen Platz ausgefüllt - völlig egal, welche Rolle sie eigentlich damit verkörpern möchte. Interessiert es das Publikum wirklich, daß Conchita ein Crossdresser/Crossover ist? Ich glaube kaum. Vielmehr hat das Zusammenspiel eines perfekten Bühnenauftritts, einer tollen Stimme, eines schönen Songs, eines traumhaftes Kostüms und letztendlich einer schillernden Persönlichkeit für den Sieg gesorgt. Ich habe Ihren Auftritt auf youtube gesehen und muß gestehen, daß ich vom gesehenen und gehörtem wirklich beeindruckt bin!

Trotzdem ist Conchita Wurst ein Kunstprodukt, ähnlich wie Lady Gaga oder Olivia Jones. Und logisch ist dabei auch, daß diese immerzu polarisieren. Conchita genießt gerade Ihre 15 Minuten Ruhm. Ich gönne Ihr von ganzem Herzen, das daraus deutlich mehr werden, allerdings wird Sie auch mit "starkem Gegenwind" zu kämpfen haben, aber damit wird Sie sicherlich auch umgehen können, denn Sie steht ja schon längere Zeit in der Öffentlichkeit.

Hat Ihr Auftritt irgendwelche Auswirkungen auf uns "normale" Crossdresser? Ich glaube nicht. Jeder kennt Olivia Jones und nun kennen auch einige Leute mehr Conchita Wurst. Ich denke eher, daß das Denken der Leute eher in die Richtung geht, daß alle Crossdresser, Transvestiten oder Crossovers da draußen, ein schrilles Auftreten haben, ohne über genauere Hintergründe oder Fakten zu verfügen. Und das sehe ich als Problem an. Es wird gelästert, getuchelt und mit harten Worten um sich geworfen - und warum? Nur weil jemand anders ist und sich nicht an gesellschaftliche Normen binden möchte. Ein Mann, der kein Mann sein möchte - ein völliges Unding! 


Ich denke, daß ein Großteil unserer Gesellschaft noch nicht bereit ist, uns "Paradiesvögel" offen wahrzunehmen. Das liegt zum Großteil daran, daß den Leuten nicht bewußt ist, welche Inspiration hinter unserem Tun steckt und welche Werte uns Crossdressern wichtig sind. Deshalb halte ich Öffentlichkeitsarbeit in allen Bereichen für sehr wichtig - man muß auf die Menschen zu gehen und sie aufklären, warum wir so leben möchten. Erst dann wird ein Umdenken stattfinden. Zudem sollte zwischen Crossdresser-Künstlern (wenn ich sie mal so nennen darf...) und dem normalen Crossdresser unterschieden werden. Mir persönlich reicht es vollkommen, in meiner Crossdresser-Welt zu leben und mein Leben weitestgehend an weibl. Richtlinien zu binden - für mich zählt dabei der feminine Gedanke, der hinter dem Crossdressing steht.

Ich wünsche Conchita nur das Beste und möge Sie kein Spielball der Medien und politischer Denkweisen werden.

Liebe Grüße.

Jennifer

9 Kommentare:

  1. Liebe Jennifer,

    mich hat vor allem der Auftritt und der Gesang begeistert. Conchita hat ja selbst gesagt, dass sie diese "Figur mit Bart" erschaffen hat, um die Menschen zu mehr Toleranz zu bewegen. Das wird sicherlich ein hartes Brot und hat nichts mit der Realität zu tun. Ich wünsche ihr viel Glück dabei. Der Ruhm ist meistens nur von kurzer Dauer. Wie es in dem Menschen aussieht, können Außenstehende überhaupt nicht beurteilen. Kommentare unter die Gürtellinie finde ich einfach nur unfair.

    Ich selbst hätte sie auf den 2. Platz gewählt. Mir haben die Niederländer mit ihrem Countrysong am besten gefallen.

    LG Sabine

    PS:
    du hast bei meinem Giveway gewonnen. Bitte teile mir noch mit, wohin ich den Gewinn schicken soll.

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  2. Liebe Jennifer,
    ich habe die Sendung am Samstag nicht geschaut. Ich war aber von dem Ergebnis
    mehr als angetan. Endlich hat man mal Mut bewiesen. Hoffentlich bleibt es auch so.
    Ich finde die Stimme sehr gut und ansprechend. Ich wünsche ihr von Herzen alles Gute auf diesem nicht leichten Weg.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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  3. Hi Jennifer,

    ich habe irgendwie auf Dein Statement gewartet, denn mich interessierte Deine Sicht der Dinge zu Tom und seiner Conchita. Meine vielen schwulen Freunde (meist seit Jahrzehnten ESC begeistert) sehen den Auftritt und das Echo in den Medien durchweg positiv - ich übrigens auch und ich ziehe den Hut davor, dass die Österreicher Tom dahin geschickt haben. Ich schüttel den Kopf über die Wertung der deutschen Jury - aber das soll hier nicht das Thema sein.

    "...und nun kennen auch einige Leute mehr Conchita Wurst..." dieser Satz von Dir wundert mich allerdings sehr, denn Du unterschätzt die Reichweite der von Dir ignorierten (das macht jeder, wie er will) Veranstaltung. Der Bart hat in Europa ein Zeichen gesetzt :) Erinnerst Du Dich an Dana International 2011 oder hat Dich das auch nicht interessiert?

    Und Du hast den Auftritt von Conchita echt nicht angeschaut? Ist das kein MUST SEE für jeden Crossdresser, denn Conchita hat Stimme, Style und Chic, Attitüde und ist perfekt in Haltung und Schminke. Da kann man sich doch gut das ein oder andere abschauen, auch wenn einen die Musik oder die Szenerie nicht interessiert ;) Mich wundert auch, dass Du einerseits von Toleranz redest und gleichzeitig neue Schubladen aufmachen willst (Normalo-CD und CD-Künstler). Wozu ist das gut? Welcher Ottonormalverbraucher im RL soll da noch mitkommen und Unterschiede finden? Ein heterosexueller Bankbeamter hinter seinem Schalter zum Beispiel könnte Dich genauso exotisch finden, wie Conchita. Ich drücke Tom die Daumen für seinen weiteren Weg, ich denke nicht, dass er eine Eintagsfliege ist, mindestens 5% der Europäer stehen ganz dicht bei ihm und sind mit im HAPPY über den Sieg! Schau Dir mal bei YT die aktuellen Auftritte an (ESC, Ankunft in Wien, Stern TV) - Er macht das echt großartig und ich bin begeistert! LG aus Berlin, wo alles etwas einfacher ist ;)

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    1. Hallo Eau,

      Das Echo der Medien unterscheidet sich doch weitestegehend von dem der Bevölkerung. Die Medien sprechen von Toleranz, während ich überall von einem lächerlichen Würstchen hörelese - nicht meine Meinung, sondern die bei Leserbriefen und sonstigen Kommentaren, habe ich aber schon geschrieben. Also spiegeln die Medien nicht wirklich die Meinung der Vielen wider.

      Und ganz ehrlich für die Medien ist man nur bis zur nächsten großen Story ein Star. In ein, zwei Wochen ist Conchita nur noch eine Randnotiz in den Medien. Hierbei führe ich immer gern das Beispiel Lance Armstrong ein dieser hat mit seinem Dopinggeständnis zwei Wochen lang die Medien beherrscht. Allerdings weiß ich daraus nur, daß er Doping gestanden hat. Aber welche Auswirkungen dies für ihn mitbrachten, habe ich bis heute nicht erfahren. Welche Strafe hat er dafür bekommen Muß er Preisgelder an Sponsoren, etc. zurückzahlen Die Medien bauschten das Thema Doping groß auf - das war´s dann aber schon.

      Genauso wird es mit Conchita werden. Zur Zeit spricht gerade jeder über Sie - egal in welchen Tönen und das ist für die Presse ein gefundenes Fressen. Das dies aber keinen langen Bestand haben wird, wird man sehen...neue große Titelgeschichten werden kaum auf sich warten lassen.

      Und wieso sollte der Auftritt für einen CD ein Must See sein? Nur weil ich ein Crossdresser bin, muß ich mir ja nicht jede Aktivität anschauen. Zudem mache ich keine neue Schubladen auf, sondern zeige nur, daß es im Bereich Crossdressing auch kleine Unterschiede gibt. Eine Olivia Jones ist ein Drag Queen und nur für Ihre Auftritte als Frau heraus geputzt - sonst zeigt er sich als Oliver Knöbel, eben er selbst. Von daher sind dies für mich CD-Künstler, mit denen ich nicht viel gemeinsam habe. Künstler machen das für Ihre Shows - ich, weil ich so leben möchte, aber eben ohne schrille Kostüme.

      Liebe Grüße

      Jennifer

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    2. @Eau
      Ich hab das auch nicht gesehen. Ist auch nicht mein Musikgeschmack. Ich wusste daher natürlich auch nicht, wenn die Ösis ins Rennen schicken.
      LG

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  4. Hallo Jennifer,
    ich bin zwar nicht Conny sondern Sunny, aber ich freue mich trotzdem, dass Du bei mir vorbei geschaut hast. Ich würde gerne öfter bei Dir kommentieren. Da ich das aber oft via handy in der Bahn mache, klappt das nicht.
    Du verwendest diesen Zahlensalat, das bekomme ich nicht geregelt, den übers Handy einzugeben. Ist zu breit, kann man nicht sehen und tippen gleichzeitig. Kannst Du das bitte abschalten? Mederiert, aber ohne Sicherheitsabfrage. Ich habe das seit 3 Jahren so und hatte NOCH nie Robot-Spam-Attacken. Danke Dir.
    LG Sunny
    P.S.: Den Auftritt habe ich nicht gesehen.

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    1. Hallo Sunny,

      habe dir gerade eine mail geschickt, da ich nicht weiß, was du mit "Zahlensalat" und "abschalten" meinst. Erkläre mir dies bitte per mail - danke.

      Jennifer

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  5. Ich finde Conchita toll!! Nicht nur, dass sie einfach Hammer aussieht.. diese Figur..die langen schlanken Beine, das Haar, diese Augen!!!! sie kann sich wunderschön elfengleich bewegen ohne dass es aufgesetzt aussieht und dann kann sie auch noch SO toll singen!
    Was ich an ihr noch faszinierend finde: So viele Männer lassen sich den Bart in schmerzhaften Sitzungen weglasern und hauen kg-weise Make-Up drauf.. sie lässt den Bart einfach wachsen!! Und irgendwie passt das in perfekter Weise zu ihrer weiblichen Erscheinung!!
    Ach ja.. das Lied is goil!! *g*

    LG Dana

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    1. genau das ist mir auch gleich aufgefallen dana, dass es bei conchita völlig natürlich aussieht, wie sie sich bewegt und sie die gesten einsetzt - sie ist ein wahrer hingucker und die homophoben hater sind nun vollends verstört. war ein bissel gesichtshaar so ausrichten kann, finde ich das alles einfach nur genial!

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